Die Zauberformel für Babys Schlaf

Baby gaehntEndlich wieder durchschlafen - und das in nur sieben Tagen!
Mit genau dieser Versprechung werben unzählige Internetseiten. Ärzte, Therapeuten und Mütter, die nach Monaten des Schlafentzugs eine Methode mit Erfolgsgarantie gefunden haben und jetzt anderen helfen möchten. Natürlich gegen Bezahlung.
Babys Schlaf scheint nicht nur Nerven zu kosten, sondern auch eine Menge Geld oder Geduld, je nachdem wie man sich entscheidet.


Was ist nun diese Zauberformel?
Das Ziel des Schlaftrainings ist nicht unbedingt, dass kleine Babys und Kinder durchschlafen, sondern dass es ihnen gelingt ohne die Unterstützung der Eltern einzuschlafen. Egal ob am Mittag, am Abend oder mitten in der Nacht. Je nach Schlaf- beziehungsweise Einschlaftraining variieren die erlaubten Einschlafhilfen und der Weg zum Ziel.
Der extremste Weg ist wohl die "unmodifizierte" Entwöhnung nach der Theorie des Kinderarztes Dr. Weissbluth, auch "Cry it out" genannt: Das müde Kind wird im Wachzustand in sein Bett gelegt und über Nacht allein gelassen. Wenn es weint, darf es nur getröstet werden, wenn es sich ernsthaft in Gefahr bringt, beispielsweise durch Erbrechen. So soll das kleine Kind innerhalb von drei bis vier Nächten das selbstständige Ein- und Durchschlafen erlernen.

Babybett mit PapaObwohl Studien die Wirksamkeit dieses Trainings belegen, empfinden die meisten Eltern diese Methode als zu extrem und versuchen sich daher an etwas sanfteren Methoden der Entwöhnung.
Eine moderatere Form dieses Schlaftrainings sieht beispielsweise vor, dass Eltern ihren Liebling zunächst nur für wenige Minuten weinend im Kinderbett zurücklassen, bis sie das Zimmer erneut betreten und ihren Schatz mit Worten oder Streicheln trösten. Die Anzahl der Minuten, in denen das Kind alleine gelassen wird, soll mit der Zeit gesteigert werden, bis das Betreten und Trösten der Eltern nicht mehr notwendig ist.
In anderen Trainingsprogrammen bleiben die Eltern im Zimmer ihres Kindes und trösten es durch ihre Anwesenheit, Worte und Berührung, nehmen es aber für eine bestimmte Anzahl von Minuten nicht auf den Arm um es zu trösten. Mit jedem Tag steigert sich die Anzahl von Minuten.
In wieder anderen Trainingsprogrammen entfernen sich die Eltern Tag für Tag ein Stückchen weiter vom Bett ihres Lieblings, bis es letztendlich ohne die Eltern im Zimmer einschlafen kann.
Je nach Programm dürfen Schnuller, Schmusedecke oder Kuscheltier als Einschlafhilfe angeboten werden. Manche Trainingsprogramme stellen diese Hilfen aber auf eine Ebene mit dem Einschlafstillen oder dem In-den-Schlaf-schaukeln und sind der Meinung, dass sie ebenso dem selbstständigen Einschlafen im Weg stehen.


Funktioniert das wirklich?
Verschiedene Studien belegen die Wirksamkeit der Schlaftrainings. Je nach Ausgangszustand des kindlichen Schlafverhaltens, Auswahl des Programms und der Konsequenz der Eltern lernen ein großer Teil der Babys und Kinder innerhalb weniger Tage bis Wochen selbstständig, ohne die Hilfe der Eltern einzuschlafen.


Babybett mit PapaSchadet das Schlaftraining meinem Kind?
Hier unterscheiden sich die Untersuchungsergebnisse stark voneinander. Je nach Auftraggeber belegen Studien positive oder negative Folgen in der Entwicklung des Kindes. Häufig wurde belegt (und teilweise auch wieder widerlegt), dass das Schreien lassen zu einer erhöhten Cortisolausschüttung im kindlichen Körper führt, was Hirnschäden zur Folge haben kann. Darüber hinaus beweisen Studien Störungen in der emotionalen Entwicklung, seelischen Gesundheit und der Bindung an die Eltern von schlaftrainierten Kindern. Andere Untersuchungen kommen aber zu einem gegenteiligen Ergebnis und stellen die unbedingte Notwendigkeit der Behandlung von Einschlafstörungen im frühen Alter fest, da anhaltende Einschlafbegleitung laut ihren Studien unter Umständen die Entwicklung von ADHS und Übergewicht in der späteren Kindheit begünstigt.


Ist ein Schlaftraining wirklich notwendig?
Kein normal entwickelter, geistig gesunder Erwachsener muss in den Schlaf gestillt oder getragen werden. Über kurz oder lang lernt jeder Mensch ohne Einschlafhilfen einzuschlafen. Ob abgewartet werden kann, dass das Kind das selbstständige Einschlafen ohne äußeres Einwirken erlernt, oder ob es durch ein entsprechendes Programm vorangetrieben werden muss, ist vom Wohlbefinden der Familie abhängig. Wenn die Nächte für alle Familienmitglieder zur Tortur werden, Tage übermüdetet verbracht werden und Eltern das Gefühl haben an ihre Grenzen zu stoßen, dann empfiehlt es sich über ein Trainingsprogramm nachzudenken. Übermüdung kann auf Dauer zu Erschöpfungssymptomen und Depressionen führen und so im Extremfall eine Vernachlässigung des Kindes oder eine Misshandlung durch Überforderung verursachen.


Teddybär KuscheltierMögliche Alternativen
Eltern, die es ablehnen ihr Kind schreien zu lassen und die Zeit und Geduld haben, der Entwicklung ihres Lieblings ihren natürlichen Lauf zu lassen, können auf zahlreiche sanfte Methoden zurückgreifen. Diese erzielen vielleicht nicht in Rekordzeit garantierte Erfolge, können aber durchaus eine Hilfe auf dem Weg zum selbstständigen Einschlafen sein.

Bewährte Methoden sind hier:

  • das Abpassen des richtigen Zeitpunkts für das Schlafengehen. Durch das genaue Beobachten von Müdigkeitssignalen (Gähnen, Augen reiben, Überstrecken, ...) kann das Einschlafen erleichtert werden.
  • das Etablieren eines friedlichen, sich jeden Tag wiederholenden Einschlafrituals (ein Bad, eine Gute-Nacht-Geschichte, eine Massage, ein Schlaflied, ...)
  • das Vermeiden aufregender Tätigkeiten am Abend (Fernsehen, Diskussionen, Unternehmungen, ...)
  • das Einrichten einer gemütlichen, aber unaufgeregten Schlafumgebung (gedämpftes Licht, keine Lichtprojektionen oder motorisierte Mobiles, keine Ansammlung von Spielsachen im Bett, ...)
  • das Schaffen des Gefühls der Geborgenheit (das Kinderbett im Elternschlafzimmer, eine Schmusedecke, die nach den Eltern riecht, ...)

Schlaftraining: Fluch oder Segen?
Diese Entscheidung ist so individuell, wie das Kind und die Familie, die sie betrifft.
Das selbstständige Ein- und Durchschlafen wird nicht "über Nacht" erlernt. Inwieweit es forciert werden muss, kann nicht pauschal festgelegt werden.
Ob der Schlafentwicklung des Kindes ihren freien und natürlichen Lauf gelassen werden kann, oder ob zum Wohl der Familie ein Schlaftraining etabliert werden muss, liegt allein in der Hand der Eltern und es bleibt zu hoffen, dass diese eine weise und wohl überlegte Entscheidung treffen.

[HE]